Bewährte Feedbacktechniken für eine inklusive Arbeitskultur
- Luka Özyürek
- 29. Juli
- 4 Min. Lesezeit
In unserem letzten Beitrag haben wir darüber geschrieben, warum eine gute Feedbackkultur für eine inklusive und produktive Arbeitskultur unerlässlich ist. Nochmal zusammengefasst:
Inklusives Feedback deckt Voreingenommenheiten und Diskriminierung auf. Wenn alle sich trauen, auch vermeintliche Kleinigkeiten anzusprechen, und alle diese Hinweise gut annehmen können, schafft das eine inklusive Arbeitskultur.
Inklusives Feedback hilft, Machtstrukturen zu hinterfragen. Es trägt dazu bei, dass Entscheidungen transparenter gemacht werden müssen und hilft, den Einfluss von strukturellen Vor- und Nachteilen zu reflektieren.
Inklusives Feedback ist für alle da: Es denkt unterschiedliche Kommunikationsstile und -bedürfnisse mit, damit alle sich konstruktiv einbringen können.
Inklusives Feedback ist konstruktiv und spezifisch, wird zeitnah gegeben und achtet auf die passende Gelegenheit. Alle Beteiligten sollten die Gelegenheit bekommen, sich zu äußern und auszutauschen.
Heute wollen wir euch einige unserer Lieblingsmethoden vorstellen, um unter Kolleg*innen, im Team oder nach Veranstaltungen Feedback zu geben und zu bekommen.
Flexible Feedbackmethode: I like, I wish, I wonder
Was?
Die Feedback gebende Person strukturiert ihre Gedanken nach dem Schema “I like, I wish, I wonder”:
“I like”: Was ist positiv aufgefallen? Was war erfolgreich oder hat Freude gemacht?
“I wish”: Hier ist Raum für konstruktive Vorschläge. Was wünscht sich die Feedback gebende Person in Zukunft von ihrem Gegenüber?
“I wonder”: Hier können Dinge thematisiert werden, bei denen die Feedback gebende Person die Perspektive des Gegenübers besser verstehen möchte. Was macht ihr Sorgen, ist unklar oder löst einfach Neugier aus?
Wie?

Es ist sinnvoll, das Feedback zu timen. Zum Beispiel:
5 min: Feedback wird gegeben, die empfangende Person hört (aktiv) zu.
5 min: Die Feedback empfangende Person kann reagieren, Fragen beantworten und stellen.
5 min: Zeit zum gemeinsamen Austausch und Festhalten von Zielen.
So stellst du sicher, dass alle gleichermaßen zu Wort kommen, sich aber auch nicht in unwesentlichen Details verlieren. Nachdem die erste Person ihr Feedback gegeben hat, wird getauscht.
Wofür?
Ideal für regelmäßiges gegenseitiges Feedback, auch über Hierarchien hinweg. Es funktioniert aber auch gut in kleinen Teams oder zur Reflexion am Ende eines (kleineren) Projekts.
Inklusive Arbeitskultur mit Akronymen: AID und Co.
Was?
“AID ist eines von vielen Akronymen, die du dir merken kannst, um dein Feedback konstruktiv zu gestalten. “AID” steht hier für “Action, Impact, Do” (je nachdem, wen man fragt, kann das “D” auch für “Development” oder “Desired Behaviour" stehen). Du strukturierst dein Feedback dann nach diesem Schema:
Action: Was hat dein Gegenüber getan? Versuche, hier möglichst objektiv und sachlich zu beschreiben.
Impact: Was ist dadurch passiert, was waren die Konsequenzen? Wichtig: Das können auch Erfolge und positive Konsequenzen sein, es muss hier nicht um Kritik gehen.
Do: Was könnte die Person in Zukunft anders machen, was sollte sie weiter so machen? Hier formulierst du konstruktive Wünsche.
Ein Beispiel für Feedback nach dem AID-Schema: “(Action:) Du hast mich im Meeting mehrfach unterbrochen. (Impact:) Das fühlt sich für mich respektlos an und ich verliere dann auch schnell den Faden und kann meine Ideen nicht gut rüberbringen. (Do:) Bitte lass mich in Zukunft ausreden.”
Was noch?
Alternativ zu AID gibt es viele andere Akronyme, die du nutzen kannst, z.B. WWW (“Wahrnehmung, Wirkung, Wunsch”), SBI (“Situation, Behaviour, Impact”) oder DESC (“Describe, Express, Specify, Consequences”). Sie alle sind mehr oder weniger angelehnt an die Grundstruktur der gewaltfreien Kommunikation: geteilt werden eine möglichst objektive Beobachtung, die dadurch ausgelösten Gefühle und damit zusammenhängende Bedürfnisse, und schließlich eine konstruktive Bitte für das weitere Vorgehen.
Wie?
Die AID-Methode kannst du sowohl für spontanes Feedback nutzen, als auch im Rahmen geplanter Feedbackgespräche. Bei letzteren ist es sinnvoll, das Feedback wie bei “I like, I wish, I wonder” beschrieben zu timen.
Wofür?
AID eignet sich als eigenständige Methode am besten für 1-on-1 Feedback zu konkreten Situationen, z.B. wenn du einen Fehler bemerkst. Du kannst das Prinzip aber auch in Kombination mit anderen Methoden nutzen, um deine Gedanken zu strukturieren.
Einseitiges Feedback für größere Gruppen: Das 5-Finger-Feedback
Was?

Bei dieser Methode werden die Finger als Merkhilfe genutzt, um das Feedback zu strukturieren. Die Finger stehen jeweils für:
Daumen - Was lief gut, was hat mir gefallen?
Zeigefinger - Darauf möchte ich hinweisen.
Mittelfinger - Was hat mir nicht gefallen, was hätte besser laufen können?
Ringfinger - Das nehme ich mit, das habe ich gelernt.
Kleiner Finger - Das kam mir zu kurz.
Wie?
Für die schriftliche Durchführung malen alle Beteiligten den Umriss ihrer Hand auf ein Blatt Papier und schreiben ihre Antworten an die jeweiligen Finger. Die Zettel werden anschließend entweder eingesammelt und der verantwortlichen Person (z.B. Seminarleitung) gegeben oder gemeinsam gelesen.
Willst du die Methode mündlich nutzen, halten alle der Reihe nach jeweils eine Hand nach oben und zählen ihr mündliches Feedback anhand der Finger ab.
Wofür?
Diese Methode ist besonders geeignet für die Reflexion zeitlich begrenzter Projekte und Veranstaltungen, z.B. Schulungen oder Tagungen. Schriftlich lässt sie sich auch für größere Gruppen gut nutzen. Der Nachteil dieser Methode ist, dass das Feedback einseitig bleibt und kein Dialog entsteht - sie ist deshalb als Feedbackmethode für Teamprozesse weniger sinnvoll, kann aber für Seminarleitungen, Eventteams usw. wichtige Erkenntnisse schaffen.
Welche Methode passt zu euch?
Es gibt natürlich noch eine ganze Menge anderer, mehr oder weniger bewährter Feedbackmethoden - oder werde doch gleich selbst kreativ und denke dir eine Methode aus, die zu deinem Team passt! Wir haben bei IN-VISIBLE regelmäßige Reflektions- und Feedbacksitzungen im Team, bei denen wir immer mal wieder auch neue Ideen ausprobieren. Es gab z.B. schon schriftliche Reflektionen in Form eines Rollenspiel-Charakterbogens oder eines Briefs an das Team in der Zukunft. Indem du Feedbackmethoden findest, die zu euch passen, vermeidest du, dass es zu einer lästigen Pflicht wird. Und das ist ganz entscheidend, denn wenn Feedback wie ein weiteres “unnötiges” To-do im sowieso schon zu vollen Arbeitsalltag scheint, kann sich keine konstruktive Feedbackkultur etablieren.
Feedbackmethoden sind nicht alles
Anders gesagt: Feedbackmethoden sind sinnvoll, wenn sie dir und deinem Team helfen, eure Gedanken und Gespräche so zu strukturieren, dass alle ehrlich und konstruktiv miteinander kommunizieren können. Sie können helfen, Struktur und Verbindlichkeit zu geben und Feedback so auch für Kolleg*innen zugänglich zu machen, für die spontane Kommentare oder unstrukturierte Gespräche schwieriger sind. Aber selbst die beste Feedbackmethode funktioniert nur dann, wenn alle verstehen, warum ihr sie nutzt, und bereit sind, sich ernsthaft darauf einzulassen. Sie sind kein reiner Selbstzweck - wenn du perfekt anhand der AID-Methode formulierst, aber gedanklich schon beim nächsten Meeting bist, ist damit nichts gewonnen. Begreife Feedbackmethoden als ein Tool für gute Arbeitskultur, aber nicht als Ersatz für das richtige Mindset.
Du brauchst Unterstützung dabei, in deinem Team eine gute Feedbackkultur zu etablieren? Wir beraten dich gerne!