Kennt ihr schon Merle Groneweg? Seit 2015 gehört sie zum Team des Queer Film Festival Berlins XPOSED. Inzwischen ist sie die Festivaldirektor:in und gemeinsam mit vielen anderen für Kuration und Organisation des Festivals verantwortlich. XPOSED ist ein echtes Herzensprojekt, das mit viel unbezahlter Arbeit verbunden ist. Darüber hinaus schreibt Merle Artikel zu queer-feministischen und anderen politischen Themen, wie zum Beispiel fürs Missy Magazin, OXI, analyse&kritik oder Klimareporter.
Warum braucht die Welt ein Festival wie das XPOSED, bei dem ausschließlich queere Filme gezeigt werden?
„Auch wenn immer mehr queere Filme produziert und gezeigt werden, bleiben sie in der Kino-, Fernseh- und Streaminglandschaft trotzdem eher marginal. Das gilt insbesondere für intersektionale Perspektiven ebenso wie für Geschichten, die ihren Fokus nicht auf Coming-Out und Romanzen legen. Zudem ist unser Festival ein Ort, an dem experimentelle Arbeiten gezeigt werden, da wir für ein queeres Kino abseits des LGBT-Mainstreams stehen. Last but not least: Es ist wichtig, einen Raum zu schaffen, um queere Filme gemeinsam zu sehen und zu diskutieren.“
Euer Programm ist queer-feministisch. Mal naiv gefragt: Was macht das Programm, das vielerorts sonst so läuft, eher nicht queer-feministisch?
„Primär bezeichnen wir uns selbst als „queer“, aber es stimmt, dass unsere Auswahl sich von anderen Festivals häufig unterscheidet: Filme von weißen, cis-männlichen schwulen Filmschaffenden zeigen wir natürlich auch, aber sie sind eher in der Minderheit. Wir bemühen uns, möglichst viele Arbeiten von in der Filmindustrie ebenso wie in Politik und Gesellschaft strukturell diskriminierten Personen zu zeigen, dazu gehören beispielsweise BIPOC ebenso wie Werke von und über lesbische, nicht-binäre und trans Personen. Darüber hinaus werden viele der Filme, die wir im Programm haben, nicht in westlichen Industriestaaten produziert.“
Das XPOSED Festival findet nun zum 16. Mal statt. Was hat sich über die Zeit hinsichtlich der gesamten Filmlandschaft verändert und inwiefern spiegelt sich das in eurem Programm wieder?
„Unser Programm ist vielfältiger bzw., besser formuliert, inklusiver geworden. Immer wieder entstehen neue, wenn auch nicht beabsichtigte, regionale Schwerpunkte, zum Beispiel zeigen wir seit Jahren viele Filme aus Brasilien, weil dort sehr viel Großartiges produziert wird. Viele noch nicht so viel erzählte, spannende Stoffe finden sich in marginalisierten Perspektiven. Zugleich wird immer weniger das Leid in den Fokus gerückt, sondern Empowerment und Solidarität. Queeres Kino ist kraftvoll.“
Wenn es um Zugänge zu queer-feministischen Diskursen geht, erleben wir in unserer Arbeit Trennlinien zwischen Berlin und anderen Gebieten. Vielleicht empfindet ihr das ja auch. Wie können wir XPOSED aus Berlin holen, oder wie schafft Kultur auch niedrigschwellige Zugänge?
„Tatsächlich gibt es in zahlreichen deutschen Städten, kleineren wie größeren, queere Filmfestivals – viele sind in dem Netzwerk QueerScope e.V. versammelt, zu dem auch wir gehören. Allerdings unterscheidet sich die Programmauswahl häufig von unserer – nicht zuletzt, weil in Berlin verhältnismäßig viele queere Filme in die vielen unabhängigen Kinos kommen. Außerdem können wir uns als englischsprachiges Festival eine ganz andere Kuration „leisten“ und spannende Filme zeigen, die keine deutschen Untertitel haben. Aber ich habe das Gefühl, dass es an immer mehr Orten Begeisterung und Interesse für queere Kultur gibt. Für den ländlichen Raum – da bin ich selbst aufgewachsen – frage ich mich, ob nicht doch auch große Mainstream-Kinofilme wichtig sind, um bestimmte Sichtbarkeiten überhaupt erst zu schaffen, mal vom Online-Streaming abgesehen. Und natürlich braucht es Kooperationen, die wir proaktiv schaffen."
Danke, Merle!
Das Interview führte Alicia. Tickets für die XPOSED Summer Screenings im Juli gibts über die jeweiligen Kinos - das ganze Programm findet ihr hier.
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