Der Gender Spotlight: Für die, die ihn noch nicht kennen, hier richten wir den Scheinwerfer auf unterschiedliche Branchen und sprechen mit Expert:inenn über Gender an ihrem Arbeitsplatz.
Heute möchten wir über Gender in der Fotografie sprechen. Dazu haben wir Vincent Wechselberger befragt. Auf Instagram kennt man ihn unter @vincenttiberius. Er kommt ursprünglich aus Österreich und kam durch einen Zivildienst für die politische Bildungsarbeit Holocaust Education im Anne-Frank-Zentrum für ein Jahr nach Berlin. Danach nahm er sich Zeit zum Reisen und hat schließlich sein Propädeutikum in Psychotherapie Wissenschaften Psychotherapiewissenschaften absolviert. Gleichzeitig begann er ein Fotografie Studium für Portrait- und Dokumentarfotografie an der Ostkreuz Schule für Fotografie, dass er bis zum jetzigen Zeitpunkt verfolgt. Parallel zum Studium arbeitet Vincent auch als freiberuflicher Fotograf. Dort legt er seinen Fokus auf Randgruppen und Minderheiten in der heutigen Gesellschaft. Er fotografiert besonders die Queere Community, zu der er sich zugehörig fühlt. Darüber hinaus unterstützt Vincent Fotograf:innen – vor aber allem mit Fotografen – bei der Lichtassistenz.
Was für eine Rolle spielt Gender in der Fotografie Branche?
“Ich muss sagen für mich ist es einfach, da ich für Matt Lambert, einen Fotografen der sich als queer bezeichnet und sein Ehemann eine Produktionsfirma hat, für die ich häufig arbeite. Ich arbeite somit nicht für einen heterosexuellen cis Mann. Das heißt in diesem Fall, dass die Produktionsfirma, mit der ich arbeite, immer darauf achtet, dass überall Frauen und viele sich als queer identifizierende Personen am Set sind. Deshalb bin ich ein Glückskind, da ich bist jetzt nicht mit der traditionell männlichen Fotografie-Welt in Kontakt gekommen bin, in der alle am Set männlich und das Model weiblich waren. Auch heute ist das noch in vielen Teilen so. In diesem Kontext war das Model ein Objekt der Begierde – das kenne ich so gar nicht. Es gibt trotzdem immer noch weiterhin nur wenige Fotografinnen, die beruflich sehr erfolgreich sind. Ich assistiere beispielsweise gerade keiner Fotografin und kenne auch viel weniger Fotografinnen als Fotografen.“
In den 1970er Jahren wurde bereits die Filmindustrie für den so genannten “male gaze” kritisiert, inwiefern finden wir den in der Fotografie vor?
“Früher galt der Male Gaze als ein Blick, der rein aus der Sicht eines heterosexuellen Mannes auf eine Frau als Objekt der Begierde gerichtet war. Heute wird dies ausgeweitet auf queere Personen, Transpersonen und auch auf homosexuelle Männer, die als Objekt der Begierde gesehen werden. Oftmals wird man in dieser Branche noch sehr objektifiziert oder sexualisiert und dagegen muss vorgegangen werden. Ich kenne Geschichten, in denen weibliche Models gedrängt wurden, Sachen zu machen, wie beispielsweise Nacktshootings, die das definitiv nicht wollten. In diesen Situationen nutzt der Fotograf seine Machtposition aus, sodass die Models das tun, was er haben möchte. Auf der anderen Seite, kann ich aus meiner individuellen Sicht sagen, dass das Set, an dem ich arbeite, immer sehr divers ist und darauf geachtet wird, dass sich alle wohlfühlen, wirklich viele verschiedene Menschen vertreten sind und dementsprechend die Umgebung nicht automatisch weiß und heteronormativ ist. Es gibt also langsam auch hier einen Wandel, aber alte Strukturen sind noch vertreten.”
Inwieweit denkst du, dass du mit dem klassischen Bild eines:r Fotograf:in brichts? Was machst du anders und was hat das mit deiner Identität zu tun?
“Also beim Werdegang zum Psychotheratpeuten geht es um Geschichten und das ist auch das, was mich bei der Fotografie interessiert. Außerdem ‘connecte’ ich mit Personen durch meine Identität und Persönlichkeit sehr schnell und einfach, deshalb glaube ich auch, dass sie sich vor meiner Kamera gut fühlen. Darüber hinaus habe ich einen starken Drang zu Inklusion, da ich früher in meiner Kindheit oft ausgegrenzt wurde. Deshalb möchte ich Randgruppen in der Gesellschaft eine Bühne geben, damit sie gesehen werden. Ich möchte auch ganz stark der queeren Community einen Raum geben, Körper und Körperlichkeit zu zeigen. Meine Arbeit beschäftigt sich viel mit Sichtbarkeit, verschiedenen Konzepten von Liebe, aber auch Sex spielt eine Rolle. Mit meiner Kamera versuche ich den Wunsch nach Zugehörigkeit in unserer Gesellschaft einzufangen.”
Was muss sich deiner Meinung nach noch in der Fotograf:innenszene für mehr Gendergerechtigkeit ändern?
“Ich finde es muss sich auf jeden Fall die Sprache ändern. Denn Fotografie ist ein Handwerk und auch wenn die Szene super divers, progressiv und international ist, wird immer nur von dem Fotografen gesprochen und von Assistenten. Diese männliche Form der Sprache muss sich zu einer gendergerechten Sprache noch verändern. Darüber hinaus braucht es mehr Frauen am Set. Ich fühle mich immer viel besser bzw. mehr wahrgenommen, wenn mehr Frauen oder queere Menschen am Set sind. Es ist schlimm, aber ich habe beispielsweise noch nie mit einer Transperson am Set gearbeitet. Außerdem muss man sich Fotografie erst einmal leisten können. Ich arbeite analog mit Film und ‘struggle’ selbst damit, weil ich nicht gleichmäßiges Einkommen habe und meine Studiengebühren auch noch bezahlt werden müssen. Fotograf:in sein ist auch einfach teuer. Da stellt sich auch die Frage, wie man das auch für eine breitere Community zugänglicher machen könnte.”
Vielen Dank für das Interview Vincent!