Konflikte am Arbeitsplatz - Mit Differenzen konstruktiv umgehen
- Luka Özyürek

- vor 4 Tagen
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Kennst du das? Eine Person im Team macht einen Kommentar, der eigentlich gar nicht böse gemeint ist, aber bei einer anderen Person nicht gut ankommt. Die sagt nichts, genauso wie die nächste Person, der etwas unangenehm ist. Und die nächste, und die nächste, bis es irgendwann knallt und sich alle wundern, woher dieser große Konflikt plötzlich kommt, wenn doch bisher eigentlich alle gut miteinander arbeiten konnten. Ganz besonders schwierig wird das in diversen Teams, wo es oft nicht nur um Meinungsverschiedenheiten geht, sondern um fundamentale Themen wie Identität und Diskriminierung.
Aber soweit muss es gar nicht erst kommen. Eine gute Konfliktkultur und konstruktive Kommunikation sind die Grundlage für inklusive Teamkultur, und deshalb haben wir bei IN-VISIBLE jetzt einen neuen Workshop im Standardangebot: “Mit Differenzen umgehen - Workshop zu Konfliktfähigkeit”. Wir haben ihn gemeinsam mit unserer Trainerin Sonja Langela entwickelt, die sich schon seit Jahren mit dem Thema Konflikte am Arbeitsplatz beschäftigt. Im Gespräch erzählt sie Luka, welche typischen Konflikte es in Teams gibt, was Mikroaggressionen damit zu tun haben und welche KI-gestützte Lösung sie gerade entwickelt.
Luka: Hallo Sonja, ich freue mich, mich heute mit dir auszutauschen und bin ganz gespannt. Aber erzähl doch zum Einstieg erstmal kurz, wer du eigentlich bist und was dich mit IN-VISIBLE verbindet.
Sonja: Wie du schon sagtest, ich bin Sonja, habe 2021 bei IN-VISIBLE als Praktikantin gestartet, war dann Werkstudentin und bin jetzt als Freelancerin dabei. Ich fühle mich durch die vielen Jahre natürlich sehr verbunden mit IN-VISIBLE, aber auch durch die Themen. Weil ich es einfach wichtig finde, sich mit einer inklusiven Arbeitskultur auseinanderzusetzen.
Konflikte am Arbeitsplatz: Was läuft da schief?
Luka: Das passt super dazu, worüber wir heute sprechen wollen: Du hast jetzt diesen Workshop zum Thema Konfliktfähigkeit für IN-VISIBLE ausgearbeitet. Warum ist das am Arbeitsplatz so ein wichtiges Thema?
Sonja: Während meiner Arbeit im Kontext Diversität und Gleichstellung habe ich gemerkt, dass es verbunden mit den Themen rund um Diskriminierung häufiger zu Konflikten kommt und dass die oft sehr schwer besprechbar sind. Häufig wird die Verantwortung den von Diskriminierung betroffenen Personen zugeschoben, solche Dinge anzusprechen und zu klären. Deshalb ist es wichtig für die Arbeitskultur und das gemeinsame Lernen, sich als Team damit auseinanderzusetzen, wie Konflikte besprochen werden können. Inbesondere dann, wenn es um das Thema Diskriminierung geht. Natürlich besprechen wir auch Modelle und Tools, die auf andere Konfliktsituationen anwendbar sind. Es geht zum Beispiel auch um gewaltfreie Kommunikation, das ist ein hilfreiches Tool für alle möglichen Dinge, die schwierig besprechbar sind. Aber durch unsere Expertise bei IN-VISIBLE legen wir einen Fokus auf das Thema Diversität und Diskriminierung am Arbeitsplatz und die Konflikte, die sich daraus ergeben.
Luka: Das macht Sinn! Hast du ein Beispiel für so eine typische Situation, in der Teams bessere Strategien für Konfliktbewältigung brauchen könnten?
Sonja: Ein häufiges Problem sind z.B. unterschiedliche Erwartungen bei der Arbeitsverteilung oder das Gefühl, dass eine Person Mehrarbeit im Team übernimmt und das dann irgendwann zu Unzufriedenheit führt. Unterschiedlicher Workload, verschiedene Erwartungen, Ressourcenverteilung. Aber auch so Sachen wie, wer darf warum auf die Konferenz fahren?

Warum wir so ungern über Konflikte sprechen
Luka: Warum ist es so schwierig, das anzusprechen?
Sonja: Ich glaube, Konflikte anzusprechen ist für uns alle schwer, weil unter den Konflikten ja häufig noch Lebenserfahrungen, Emotionen, Beziehungen zueinander stehen. Das macht es alles viel belastender als z.B. über deine To-Do Liste zu sprechen. Und Konflikte können ganz unterschiedliche Ursprünge haben, nicht jede Meinungsverschiedenheit wird ja zum Konflikt. Stress spielt eine Rolle. Hierarchien spielen eine Rolle. Strukturen können Konflikte hervorrufen, Erwartungen, unterschiedliche Kommunikation. Hier kommt auch das Thema Diskriminierung und unterschiedliche Lebensrealitäten ins Spiel, die vielleicht nicht verstanden werden.
Luka: Also entstehen Konflikte eigentlich, wenn Unterschiede da sind? Das ist ja auch eine Sorge, die immer wieder geäußert wird, wenn es um Diversität geht: Dass Diversität nur zu Konflikten führen würde, nach dem Motto, wenn so unterschiedliche Erwartungen, Bedürfnisse, Lebenserfahrungen zusammenkommen, das kann ja nicht gut gehen, da bleiben wir lieber homogen. Weil es dann vielleicht weniger Reibung gibt.
Sonja: Ja, wo unterschiedliche Lebensrealitäten und Erwartungen aufeinander treffen, gibt's natürlich Konfliktpotenzial. Genau deswegen heißt der Workshop ja auch “Mit Differenzen umgehen”. Denn Diversität ist wichtig und darf nicht vermieden werden, weil Konflikte entstehen könnten. Aber um Konflikte austragen zu können, braucht es eine gute Fehlerkultur und dass sich Personen in ihren Teams psychologisch sicher fühlen, um sie auch anzusprechen.
Mikroaggressionen - eine oft übersehene Konfliktquelle
Luka: Kommen wir noch zu einem anderen Thema. Es geht in dem Workshop ja neben Konfliktfähigkeit auch um Mikroaggressionen. Kannst du kurz erklären, was das eigentlich ist?
Sonja: Mikroaggressionen sind, kurz gesagt, kleine Kommentare oder Gesten, die verletzend und diskriminierend sind, vor allem, weil sie sich häufig wiederholen. Wenn du z.B. als junge Frau ständig darauf angesprochen wirst, wann du Kinder bekommen möchtest, dann kann sich das irgendwann aufaddieren und wirklich belasten. Oder wenn regelmäßig nach einer Präsentation mein Outfit kommentiert wird anstatt meiner Inhalte, dann fühle ich mich als kompetente Sprecherin nicht gesehen und das untergräbt auf Dauer mein Selbstbewusstsein.
Luka: Warum hast du das Thema Mikroaggressionen mit in diesen Workshop aufgenommen?
Sonja: Mikroaggressionen sind eine potentielle Quelle für Konflikte und an ihnen sieht man ganz gut, wie wir manchmal aneinander vorbei kommunizieren. Während eine Person diesen einen Satz als gar nicht so schlimm oder vielleicht sogar nett empfindet, ist er für die betroffene Person verletzend. Weil sie sowas täglich hört und diskriminierende gesellschaftliche Strukturen dahinter stecken, die ein anderes Licht darauf werfen. Diese verschiedenen Schichten müssen wir mitdenken, wenn wir über Konflikte sprechen.
Luka: Ja, total guter Punkt. Oft hört man ja “Es war nicht böse gemeint”, aber wenn du so etwas aufgrund gesellschaftlicher Strukturen ständig hörst, ist es irgendwann egal, wie es gemeint ist, es nervt einfach. Und meine Erfahrung aus der Arbeit ist auch, dass das eigentlich die meisten Konflikte sind, die in Bezug auf Diversität und Diskriminierung entstehen. Nicht die großen Dinge, ganz offensichtliche Benachteiligungen, sondern eben diese vermeintlichen “Kleinigkeiten”. Was können Teams tun, um damit konstruktiv umzugehen? Kannst du uns einen kleinen Spoiler geben für das, was Teilnehmende im Workshop üben werden?
Was müssen wir über den Umgang mit Konflikten lernen?
Sonja: Eine Sache, die wir viel zu wenig tun und die eigentlich super wichtig ist für die Lösung von Konflikten, ist das aktive Zuhören. Oft reden wir einfach aneinander vorbei und verstehen uns nicht. Aber wenn wir wirklich einen Konflikt lösen möchten, dann müssen wir auch versuchen, uns gegenseitig zu verstehen. Und deswegen wäre ein Tipp für den nächsten Konflikt: Versucht einfach mal, eurem Gegenüber zwei Minuten lang nur zuzuhören. Ihr dürft nicken und auch mit Gestik Reaktionen zeigen, aber nicht direkt antworten. Danach könnt ihr auch Rückfragen stellen, aber versucht wirklich zu verstehen, bevor ihr antwortet.
Luka: Super Tipp, finde ich. Dann vermeidet man auch diese Defensive, in die man gerade beim Thema diskriminierende Aussagen oder Mikroaggressionen schnell verfällt. Ganz zuletzt noch eine wichtige Frage für alle, die sich überlegen, so einen Workshop zu buchen: Warum ist es eigentlich sinnvoll, sowas als Unternehmen anzubieten? Was genau können Angestellte lernen?
Sonja: So ein Workshop kann eine erste Unterstützung sein im Konfliktmanagement. Da gehört natürlich vieles andere auch dazu, aber in dem Workshop bieten wir ein sicheres Übungsumfeld, um Kommunikationsstools auszuprobieren, wie das aktive Zuhören und die gewaltfreie Kommunikation. Wir beschäftigen uns damit, was alles hinter einem Konflikt stecken kann und wie Teams damit konstruktiv umgehen können. Denn Konflikte gibt es in jedem Team und es ist wichtig zu lernen, wie man sie bearbeitet, bevor sie zu groß werden. Der Workshop ist präventiv - wenn ein Konflikt schon eskaliert ist, würde ich eher zur Mediation raten.
Mit KI zu besserer Konfliktkommunikation?
Luka: Mediation ist ein gutes Stichwort, denn du machst ja nicht nur diesen Workshop, sondern auch andere spannende Sachen. Erzähl doch zum Abschluss, warum du dich mit diesem Thema so gut auskennst und wie du sonst noch zu Konfliktlösungen am Arbeitsplatz beiträgst.
Sonja: Das Thema kommt vor allem aus meiner Berufspraxis. Ich habe nach meinem Master in Change Management die letzten zwei Jahre an der Uni Potsdam zu Diversität und Gleichstellung gearbeitet. Da habe ich beobachtet, wie schwierig es ist, Konflikte in Teams zu besprechen und habe mich deswegen intensiv mit Konfliktmanagement am Arbeitsplatz beschäftigt. In den letzten Monaten habe ich mit Hilfe des EXIST Women Gründungsstipendiums an einem digitalen Tool gearbeitet, mediAte, das mit Hilfe eines Chatbots zwei Parteien strukturiert und empathisch durch ein Konfliktgespräch leitet. Derzeit teste ich mit User*innen das Potential, ob so ein Tool die Konfliktlösung unterstützen kann. Hierbei geht's mir nicht um die ganz großen, schon eskalierten Konflikte, die eine menschliche Mediation bräuchten, sondern eher um die alltäglichen kleineren Konflikte, die vielleicht einfacher zu lösen wären, aber trotzdem manchmal tricky sind.
Luka: Es ist also eine Art neutrale Partei, die bei der Vermittlung hilft?
Sonja: Genau. Das Tool strukturiert das Gespräch, spiegelt, was es von den beteiligten Parteien hört, und hilft, zu einer Lösung zu kommen. Ich glaube immer noch, dass ein Gespräch Face to Face und das selbständige Lösen des Konflikts die optimale Option ist, aber ich exploriere einfach derzeit, ob so ein Tool unterstützen kann. Wer Lust hat, es zu testen, kann sich gerne bei mir melden. Wir sammeln gerade Feedback und das ist ein offener Prozess.
Luka: Ich bin auf jeden Fall gespannt, was dabei rauskommt. Vielen lieben Dank, dass du dir Zeit für dieses Interview genommen hast und ich freue mich auf die nächsten Workshops mit dir!
Wer Sonja kontaktieren möchte, erreicht sie am besten über LinkedIn.



