Teamkultur verbessern für mehr trans Inklusion am Arbeitsplatz
- Luka Özyürek
- vor 12 Stunden
- 5 Min. Lesezeit
Letzten Monat habe ich mich im EQUALITY 365 Podcast mit Isabel Gebien (nicht nur) zum Thema “trans sein” ausgetauscht. Was bedeutet das eigentlich, warum ist es gerade jetzt so schwierig und was sind vielleicht auch schöne Seiten? Und: Wie können wir Teamkultur verbessern und eine Atmosphäre des gegenseitigen Wohlwollens und Unterstützens schaffen, wo trans Menschen gesehen, gehört und respektiert werden, aber cis Menschen auch Fehler machen und unsicher sein dürfen? Dieses Gespräch inspirierte mich, eine Liste anzufangen von Dingen, die ich mir von cis Menschen am Arbeitsplatz wünschen würde - und von trans Menschen. Denn zu einer guten Teamkultur gehören beide.
Eine trans-inklusive Teamkultur braucht inklusive Sprache
Ich bin ganz ehrlich: Dass das überhaupt gesagt werden muss, finde ich eigentlich schlimm. Egal, was ihr selbst glaubt oder nicht glaubt, was für euch Sinn macht oder auch nicht, andere Menschen mit Respekt zu behandeln und für sie z.B. keine Bezeichnungen zu verwenden, die sie verletzen, sollte nicht nur im Arbeitsleben selbstverständlich sein. Und doch sieht für viele trans Menschen die Realität immer noch ganz anders aus: Sie erleben nahezu täglich, dass ihre Identität bestenfalls ignoriert und schlimmstenfalls ins Lächerliche gezogen wird.
FAQ: Wie weise ich am besten darauf hin, wenn jemand die falschen Begriffe verwendet?
Wenn du mitbekommst, dass jemand für eine*n trans Kollegin den falschen Namen oder das falsche Pronomen verwendet, ist es super, wenn du darauf hinweist. Denn wenn es ein ehrlicher Fehler war, hilft es der Person, sich die richtigen Begriffe zu merken - und wenn es transfeindlich gemeint war, signalisiert es, dass das nicht erwünscht ist. So ein Hinweis muss nicht dramatisch sein - eine ganz knappe Korrektur reich völlig aus. Zum Beispiel:
“Chris hat gesagt, dass sie morgen kommt.”
“Er.”
“Ach so, ja. Er kommt morgen.”
“Ich muss das noch mit Stefan besprechen.”
“Hey, nur zur Erinnerung, sie heißt jetzt Julia.”
“Ups, danke für den Hinweis. Ich muss das noch mit Julia besprechen.”
Wurdest du korrigiert? Wie du siehst, ist auch das kein großes Ding. Einfach nochmal wiederholen, vielleicht kurz für den Hinweis bedanken, und weiter im Text. Je öfter du die richtigen Begriffe verwendest, desto einfacher wird es.
Eine trans-inklusive Teamkultur braucht System

So oft hören wir “Bei uns hat sich jemand als nichtbinär geoutet, aber in unserem System gibt es nur männlich und weiblich und die IT kann das nicht ändern.” Oder “Unsere Policy ist es, Namen erst dann zu ändern, wenn die offizielle Namensänderung rechtswirksam ist.” Oder jede Menge anderer Aussagen, die alle hinauslaufen auf "Wir würden ja gerne was tun, aber in unseren Strukturen geht das nicht." In einer Welt, die darauf ausgelegt ist, dass es nur Männer und Frauen gibt und sich Geschlecht auch nicht verändert, stellen trans Menschen viele Unternehmen vor logistische Hürden. Das Ding ist aber: Diese Hürden sind meistens überhaupt nicht nötig, sondern ein hausgemachtes Problem. Deshalb ist es gerade an Führungskräften, sich zu informieren und diese Barrieren aus dem Weg zu schaffen.
FAQ: Darf ich denn z.B. Gehaltsabrechnungen schon auf den neuen Namen ausstellen, wenn der noch nicht offiziell ist?
Ja! Sofern es hier nicht darum geht, jemand zu täuschen oder zu betrügen, ist es rechtlich völlig in Ordnung, Dokumente (inklusive Verträgen) auf den gewählten Namen auszustellen. Und wichtig, sobald die offizielle Namens- und/oder Personenstandsänderung durch ist, darf der alte Name auch gar nicht mehr genutzt werden, wenn es nicht unbedingt erforderlich ist.
Eine trans-inklusive Teamkultur braucht engagierte cis Menschen
Vielleicht hast du sie ja schon mitbekommen, die endlosen Debatten, die seit einigen Jahren zum Thema trans geführt werden und die häufig auf eine Sache hinauslaufen: trans Menschen sind bestenfalls irgendwie nicht zurechnungsfähig, schlimmstenfalls zukünftige Sexualstraftäter*innen, und unsere Präsenz im Alltag sollte von Toiletten bis zu Sportwettbewerben auf jeden Fall strikt durchreguliert werden. Und wir können noch so oft sagen “Wir wissen, was wir tun, und wir wollen einfach nur unser Leben leben,” als Betroffene gelten wir - so wenig Sinn das auch macht - als voreingenommen. Deshalb brauchen wir cis Menschen, die sich für uns einsetzen. Die ganz klar sagen: Ich stehe für die Rechte meiner trans Kolleg*innen ein, und zwar auch dann, wenn es unbequem ist. Ich denke sie mit, auch wenn es sonst niemand tut.
FAQ: Wie kann ich mich aktiv für meine trans Kolleg*innen einsetzen?
Es gibt viele Möglichkeiten, etwas für deine trans Kolleg*inen zu tun, neben der bereits erwähnten Sprache und Infrastruktur: Bilde dich selbst weiter, lies z.B. Artikel oder Bücher von trans Autor*innen - das gibt dir Sicherheit und Argumentationshilfen. Sag etwas, wenn du transfeindliche Kommentare hörst - auch dann, wenn gerade (mutmaßlich) keine trans Person in Hörweite ist. Hab ein offenes Ohr für deine Kolleg*innen und fühl dich nicht angegriffen, wenn sie sich mal über cis Menschen beschweren - dass sie das bei dir tun zeigt Vertrauen. Denke trans Menschen mit, wenn du etwas gestaltest - sei es dein Inklusionsleitfaden oder ein Werbebild.
Eine trans-inklusive Teamkultur braucht Verständnis - auch von trans Menschen
Bei allem, was ich mir von cis Menschen wünsche, gibt es auch eine Sache, die trans Menschen zu einer angenehmeren Arbeitskultur beitragen können. Und zugegeben, ich tappe selber immer noch gelegentlich in diese Falle. Aber was wir als trans Menschen manchmal vergessen ist, dass vieles, was für uns ganz klar ist, für die cis Menschen in unserem Leben erstmal eine Überraschung und großes Umdenken bedeutet. Zu dem Zeitpunkt, an dem wir uns outen, haben wir meistens einen langen Prozess der Selbstfindung hinter uns. Wir haben reflektiert, gelesen, uns informiert und ausgetauscht und unheimlich viel Wissen über Geschlecht und über uns selbst angesammelt. Das Problem ist nur: Wir überschätzen dadurch, wie viel andere Menschen wissen und was für sie nachvollziehbar ist. Lasst uns das anerkennen und ihnen die Zeit und den Raum geben, unsicher zu sein, Fehler zu machen und “dumme” Fragen zu stellen. Tipp: Denkt mal an einen Bereich, in dem ihr euch selber nicht so gut auskennt - vielleicht Behinderung, Elternschaft oder Migration. Wie wünscht ihr euch, dass Betroffene mit eurer wohlwollenden Unwissenheit umgehen?
FAQ: Aber was, wenn jemand transfeindlich ist? Soll ich das ignorieren?
Nein, das bedeutet natürlich nicht, dass wir als trans Menschen Hasskommentare einfach über uns ergehen lassen sollten. Oder dass wir jede intime Frage beantworten müssen. Oder auch nur, dass es uns nicht ärgern sollte, wenn die Kollegin nach einem halben Jahr immer noch die falschen Pronomen verwendet. Von marginalisierten Menschen wird oft verlangt, ihre eigenen Gefühle und Bedürfnisse zu ignorieren oder zu unterdrücken, um es privilegierteren Menschen leichter zu machen - und das ist nicht okay. Aber: Zu einer gesunden und produktiven Teamkultur muss es auch gehören, dass wir wohlwollend miteinander umgehen. Das heißt, nicht direkt vom Schlimmsten ausgehen, sondern erstmal annehmen, dass es dem Kollegen wirklich schwerfällt, sich das richtige Pronomen zu merken. Oder dass der Chefin gar nicht klar ist, dass ein Begriff transfeindliche Konnotationen hat - auch dann, wenn es dir total offensichtlich erscheint. Wir leben alle in einem System, das von Grund auf trans Menschen nicht mitdenkt, wenn nicht gar aktiv transfeindlich ist; das zu verlernen, braucht Zeit und Wohlwollen.
Zum Teamkultur verbessern braucht es Wohlwollen
Fazit: Auch gute Teamkultur hat Grenzen - explizite Transfeindlichkeit ist genauso Gift für ein angenehmes Miteinander wie jede andere Diskriminierung. Gleichzeitig braucht sie Wohlwollen. Das Vertrauen, dass Kolleg*innen es grundsätzlich erstmal gut meinen - und die aktive Solidarität gegenüber trans Menschen, die beweist, dass das auch tatsächlich so ist. Eine gender-inklusive Teamkultur ist nicht schwer, aber es müssen alle dazu beitragen.