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RACIAL BIAS: RASSISTISCHE DENKMUSTER IM KOPF

Das Racial Bias beschreibt die (unbewusste) Benachteiligung von Personen auf Basis ihrer Hautfarbe, ethnischen Herkunft, Religion oder anderen Merkmalen, aufgrund derer eine Rassifizierung stattfinden. Im Folgenden wird das Racial Bias erklärt und einige aktuelle Forschungsergebnisse für den deutschen Arbeitsmarkt genannt.

Rassismus: der Name auf dem Lebenslauf

In einem Feldexperiment zu den Ursachen von Arbeitsmarktdiskriminierung hat das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) 1000 Bewerbungen von fiktiven Personen an reale Stellenausschreibungen geschickt – in ganz Deutschland und über acht Berufsgruppen verteilt (1). Während der raugeschickte Lebenslauf immer derselbe war, wurden einzelne Variablen verändert. Diese waren beispielsweise Ethnizität, das phänotypische Erscheinungsbild (auf Basis des Bewerbungsfotos) und die Religionszugehörigkeit, die explizit im Lebenslauf angegeben wurde.


Das Ergebnis: Bewerber:innen mit Migrationshintergrund wurden gegenüber Bewerber:innen ohne Migrationshintergrund diskriminiert. Dabei variiert das Ausmaß der Ungleichbehandlung: Bewerber:innen mit Migrationsintergrund in Südeuropa und Ostasien wurden signifikant weniger diskriminiert als andere Bewerber:innen mit Migrationshintergrund. Schwarze Bewerber:innen und Muslim:innen wurden besonders häufig diskriminiert. Das Level an Diskriminierung wurde entlang dieser Studie anhand der Rückmeldequote gemessen. In allen Gruppen erhielten am häufigsten die Bewerber:innen positive Rückmeldungen, die einen „deutschen“ Namen hatten.


Diese Studie des WZB bestätigt damit vorausgegangene Studien dieser Art aus den USA. In 2008 wurde beispielsweise untersucht, wieviel Rücklauf zwei Testgruppen auf ihre in Boston/Chicago verschickten Bewerbungen bekamen. Das Forschungsdesign war ähnlich wie bei der WZB Studie: die CVS auch hier völlig gleich, bis auf die Vornamen der Personen. Es stellte sich heraus, dass die Personen mit westlichen und europäischen Namen im Durchschnitt zehn Bewerbungen verschicken mussten, um einen Rückruf zu erhalten. Menschen mit Namen, die Schwarzen Menschen zugeschrieben werden, mussten hingehen 50 Prozent mehr Bewerbungen für das gleiche Ergebnis versenden (2).

Wenn rassistische Denkmuster in den Köpfen stecken

Formen von unconscious Bias, und somit auch das Racial Bias, sind ansozialisiert und wachsen aus gesellschaftlichen Strukturen. Häufig sind wir, meist ohne es zu merken, von sexistischen, rassistischen oder klassistischen Narrativen beeinflusst; die Liste lässt sich weiterführen. So sind unsere Wahrnehmung, die Entscheidungen, die wir treffen, und Urteile, die wir fällen, verzerrt. Je nachdem, was wir in der Schule gelernt haben, welche Filme, Werbung, Bücher, Musik oder Nachrichten wir konsumiert haben, welche Norm unsere Familie uns mitgegeben hat – unser Weltbild ist ein Produkt all dieser Einflüsse.


Das Racial Bias ist vor allem in den USA sehr gut erforscht; der wachsende Apparat an Studien hat wesentlich dazu beigetragen, die Notwendigkeit für sogenannte „affirmative actions“ zu legitimieren, die People of Color und Schwarze Menschen in Anbetracht der ungleichen Voraussetzungen fördern sollen. Wer sich das Racial Bias und die Wirkungsmacht genauer ansieht, der:die versteht, dass es weitaus mehr bewusste Maßnahmen bedarf, um toxische Glaubenssätze zu eliminieren und faire Entscheidungsprozesse herbeizuführen. Rassistische Gedankenmuster und in Institutionen eingeschriebene Bias lassen sich nur pro-aktiv bekämpfen.


Racial Bias: Ein Problem in Deutschland

Es ist wichtig, anzuerkennen, dass Rassismus auch hierzulande – in Deutschland – ein Problem ist. Nicht nur in den USA. Trotz immer mehr Studien zu Arbeitsmarktdiskriminierungen und der nachdrücklichen Stimme von Aktivist:innen, wollen viele nicht wahrhaben, dass in Deutschland Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe und (gelesenen) ethnischen Herkunft benachteiligt werden. Strukturell. Rassismus muss nicht immer mit einer bösen Intention geschehen – das Racial Bias greift auch unconsciously, also im Unterbewusstsein. Wer in einer rassistisch geprägten Gesellschaft aufgewachsen ist und wenig Schwarze Repräsentation kennengelernt hat, der:die hat entsprechende Denkmuster verinnerlicht. Sich diese bewusst zu machen und abzulegen, ist Arbeit. Und viele schauen lieber weg.


Die Ignoranz gegenüber dem Thema drückt sich beispielsweise in dem skandalösen „Ethnicity Data Gap“ aus. So wissen wir beispielsweise, wie wenig Frauen in deutschen Vorständen vertreten sind. Wir wissen allerdings nicht, wie wenig Women of Color in deutschen Vorständen sitzen. Warum ist das wichtig? Um intersektionale Formen von Diskriminierung zu messen und Strategien zu entwickeln, diese zu bekämpfen. Eine Sache ist sicher: Wer von Rassismus betroffen ist, der:die braucht keine Studien, um zu wissen, dass Schwarze Menschen und People of Color in Deutschland Steine in den Weg gelegt werden. Ihre Geschichten, Perspektiven und Erfahrungen ernst zu nehmen und diese nicht als Einzelfälle abzutun, sollte selbstverständlich sein – auch im Job.

Besonders empfehlenswert finden wir hierzu die sehr zugängliche Arbeit von Ogette Tupoka (3) und Alice Hasters (4), die beide über die strukturelle Dimension von Rassismus in Deutschland sprechen und schreiben. Ihre Werke gibt es nicht nur als Bücher, sondern auch als Podcast zu hören – sie beinhalten viele Anhaltspunkte, um über Racial Bias bei sich selbst und in den Systemen, in denen wir navigieren, nachzudenken. Der Bezug zum Arbeitskontext drängt sich hierbei nahezu auf. Ogette Tupoka bietet des Weiteren auch Trainings an, spezifisch zum Thema Rassismuskritisches Denken.


 

(1) Ruud Koopmans/ Susanne Veit /Ruta Yemane 2018: Ethnische Hierarchien in der Bewerberauswahl: Ein Feldexperiment zu den Ursachen von Arbeitsmarktdiskriminierung. Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB).

(2) Bertrand and Mullainathan (2004). Are Emily and Greg More Employable than Lakisha and Jamal? A Field Experiment on Labor Market Discrimination

(3) Ogette Tupoka (2017). Exit Racism - Rassismuskritisch denken lernen

(4) Alice Hasters (2019). Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen aber wissen sollten

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